Stalking wird strafbar in der Schweiz – Eine Übersicht über den neuen Straftatbestand ab 2026

Was ändert sich ab 1. Januar 2026?

Per 1. Januar 2026 wird der sogenannte «Stalking»-Artikel eingeführt. Nach Art. 181b StGB wird, wer jemand auf eine Weise, die geeignet ist, seine Lebensgestaltungsfreiheit erheblich zu beschränken, beharrlich verfolgt, belästigt oder bedroht, auf Antrag, mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Stalking ist ein Phänomen, das bisher nicht direkt strafbar war. Betroffene leiden aber häufig sowohl unter psychischen als auch sozialen und wirtschaftlichen Schäden. Mit dem neuen «Stalking»-Artikel soll nun eine Lücke geschlossen werden.

Die Folgen von Stalking für die betroffenen Personen sind oft immens. Angstzustände und das Gefühl, jederzeit beobachtet zu werden können zu schwerwiegenden psychischen Problemen führen. Neben den psychischen Auswirkungen können auch administrative Probleme und Aufwände entstehen, wenn die betroffene Person Telefonnummern wechseln oder sogar umziehen muss

 

Was bedeutet „Nachstellung“ laut Gesetz?

Strafbare Handlungen

Stalking kennt ganz unterschiedliche Bilder, weswegen die Umschreibung der Tathandlung schwierig ist. Die Tathandlung wird als «Verfolgen, belästigen oder bedrohen» beschrieben.

  • Verfolgen ist weit zu verstehen und umfasst neben dem Nachfahren oder Nachgehen auch das Abpassen, Auflauern oder Beobachten.

  • Unter belästigen fallen insbesondere belästigende Kontakte (Anrufe, Briefe, Chat-Nachrichten) oder auch das Zusenden von Geschenken. Auch dieser Begriff ist weit zu verstehen und es braucht keine sexuelle Komponente.

  • Bedrohen erfasst Handlungen, die dem Opfer Angst einjagen. Darunter fallen Einschüchterungen, Eindringen in den persönlichen Lebensbereich (auch unter der Schwelle des Hausfriedensbruchs), Angriffe auf Eigentum (auch ohne Sachbeschädigung) etc.

Stalking setzt eine Mehrheit von Handlungen voraus, was mit «beharrlich» ausgedrückt wird. Es gibt keine Mindestanzahl oder eine bestimmte Mindestdauer. Beides ist auch abhängig von der Art der Handlungen. Weniger intensive Handlungen können durch bspw. eine länger andauernde Zeitdauer schliesslich als «Stalking» strafbar werden. Oftmals sind es mehrere Handlungen, die isoliert betrachet oft sozialadäquat sind und erst durch die Kumulation strafwidrig werden.

Die Handlungen müssen schliesslich zu einem Erfolg führen, nämlich geeignet sein, die gestalkte Person in der Lebensgestaltungsfreiheit einzuschränken. Dabei ist auf die Sicht des Opfers abzustellen und es ist eine Objektivierung vorzunehmen, also auf das Verhalten und Empfinden einer besonnenen Person in derselben Lage abzustellen.

Typische Stalking-Handlungen sind zum Beispiel:

  • Häufige Chatnachrichten und Anrufe, auch in der Nacht

  • Ständiges Abpassen eines Opfers, bspw. vor der Schule Herumlungern

  • Geschenke schicken

  • Beiträge online immer wieder kommentieren

  • Kontaktieren von Freund:innen

  • Anschuldigungen beim Arbeitgeber

  • Beschimpfungen oder Verleumdungen

  • Bedrohungen und subtile Suizidandeutungen

 

Strafandrohung und Verfahren

Stalking wird auf Antrag mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe bestraft.

Es handelt sich um eine Antragsfrist, d.h. dass innert drei Monaten Strafantrag gestellt werden muss, sonst kommt es nicht zu einer Bestrafung. Da es sich schon nur definitionsmässig um eine Mehrzahl von Handlungen handelt, ist schwierig zu bestimmen, wann die Antragsfrist zu laufen beginnt (Art. 31 StGB). Da tatbestandsmässig eine Mehrzahl von Handlungen notwendig sind, wird die Antragsfrist mit der letzten Handlung zu laufen beginnen. Probleme könnten sich aber ergeben, wenn die letzte Handlung nicht als tatbestandsmässig definiert wird und so plötzlich der Antrag zu spät gestellt wird. Es empfiehlt sich daher, frühzeitig Strafantrag zu stellen.

Der neue Gesetzesartikel sieht als Strafe Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder Geldstrafe vor. Aus Opfersicht ist dabei zu beachten, dass in vielen Fällen, gerade bei Ersttäter:innen ohne Vorstrafen eine bedingte Geldstrafe ausgesprochen werden wird. Dies bedeutet, dass der:die Täter:in die Geldstrafe nicht bezahlen muss.

 

Wie vorgehen, wenn man Opfer von Stalking wird?

Opfern raten wir, in einem ersten Schritt Ruhe zu bewahren.

Klare Grenzen setzen. Je nach Situation ist die stalkende Person Teil des (Arbeits-)Umfelds. Gerade in diesen Situationen ist es wichtig, Grenzen zu setzen und klarzumachen, dass kein Kontakt gewünscht ist. Sofern noch Kontakt besteht, brechen Sie diesen konsequent ab. Sie müssen sich nicht auf Diskussionen einlassen, erklären Sie der Person einmal, klar und sachlich, dass kein weiterer Kontakt erwünscht ist. Soweit möglich können Sie die Person auch blockieren (WhatsApp, Telefon etc.).

Informieren Sie auch Ihre Vertrauenspersonen, evtl. Nachbarschaft oder Arbeitgeber:in über die Situation.

Sichern Sie Beweise. Machen Sie Screenshots, schreiben Sie sich auf, wann Sie die stalkende Person wo gesehen haben und was genau sie gesagt und gemacht hat. Kommt es später zu einer Befragung durch die Polizei, können Sie sich so auf Ihre Notizen verlassen und müssen sich nicht mühsam die Informationen aus dem Gedächtnis zusammensuchen. Das Niederschreiben kann auch dabei helfen, loszulassen. Sie können auf Ihrem Smartphone auch einen gesperrten Ordner machen und die Screenshots dort ablegen. Löschen Sie die Chats nicht.

Es kann sein, dass die stalkende Person Ihre Passwörter hat oder auch Programme auf Ihren Geräten installiert hat. Wechseln Sie die Passwörter, suchen Sie nach Spionageprogrammen. Es kann auch Sinn machen, die Geräte zurückzusetzen.

Holen Sie sich Hilfe:

  • Wenden Sie sich an eine Beratungsstelle wie die Opferhilfe. Je nach Kanton und Ortschaft gibt es auch spezialisierte Beratungsstellen für Stalking.

  • In Akutfällen wenden Sie sich direkt an die Polizei und holen sich dort Hilfe.

  • Wenden Sie sich an spezialisierte Anwält:innen. Wir unterstützen gerne und vermitteln weiter, wo wir nicht helfen können.

Nach den ersten Schutz- und Sicherungsschritten können Sie sich überlegen, Strafantrag zu stellen. Wichtig zu wissen ist, dass die Anzeige keine Akuthilfe bietet. Mit dem Strafantrag wird rückwirkend bestraft, was passiert ist. Aber eine eigentliche Direktwirkung gibt es nicht. Nichtsdestotrotz erleben wir bei anderen Delikten oft eine abschreckende Wirkung, wenn die beschuldigte Person von einer Strafanzeige erfährt, so dass wir davon ausgehen, dass dies auch bei Stalking der Fall sein wird.

Wenn Sie weiterhin bedroht werden, können Sie auch ein Kontaktverbot erwirken (Art. 28b und 28c ZGB). In den meisten Kantonen kann auch die Polizei Kontaktverbote erlassen (bspw. im Kanton Bern nach Art. 83 ff. PolG). Wenn Sie akut Angst haben und sich in Gefahr befinden, wenden Sie sich an Schutzhäuser (bspw. Frauenhaus | ZwüscheHalt).

 

Cyberstalking – die digitale Dimension

Stalking passiert auch online. Auch sogenanntes Cyberstalking ist vom neuen Tatbestand erfasst.

Cyberstalking äussert sich ähnlich wie offline Stalking. Die stalkende Person verfolgt online auf Social Media, schreibt ununterbrochen und kommentiert bspw. sämtliche Beiträge. Auch Verwandte und Freund:innen werden oft kontaktiert. Es kann auch sein, dass die stalkende Person bspw. Gruppen erstellt, persönliche Fotos veröffentlicht (oft auch Nacktfotos aus früheren Beziehungen) oder die Identität der gestalkten Person benutzt. Es kann auch zu Bestellungen in Onlineshops oder der Erstellung von  Fakeprofilen auf Dating-Plattformen kommen.

Zusätzlich zu den allgemeinen Verhaltensempfehlungen kann sich Folgendes anbieten:

  • Keine Anfragen von fremden Profilen annehmen, wenn sie nicht eindeutig zuordenbar sind.

  • Keine persönlichen Daten preisgeben (Geburtsdatum, Adresse, Telefonnummer).

  • Überprüfen Sie, wer welche Inhalte sehen kann (Privatsphäre-Einstellungen).

Sichern Sie auch hier alle Beweise, brechen Sie den Kontakt ab und informieren Sie Ihr Umfeld.

 

Stalking am Arbeitsplatz?

In den meisten Fällen kennen sich Opfer und stalkende Person. Auch am Arbeitsplatz ist Stalking möglich und strafbar. Gerade in Unternehmen scheinen jedoch die empfohlenen Massnahmen schwierig umzusetzen. Hier ist es an den Arbeitgeber:innen ihre Fürsorgepflicht wahrzunehmen und die Persönlichkeit und Gesundheit ihrer Mitarbeitenden zu schützen.

Unterstützen Sie Ihre Mitarbeitenden in Fällen, in denen die stalkende Person am Arbeitsplatz vorbeikommt. Genauso belastend sind aber auch Fälle am Arbeitsplatz selbst, wenn Kalender nach Verfügbarkeiten durchsucht werden, die betroffene Person nach Meetings abgepasst oder auf Teams mit Nachrichten überhäuft werden. Wir empfehlen Folgendes:

  • Prävention: setzen Sie klare Richtlinien gegen Grenzüberschreitungen und Belästigungen auf, richten Sie vertrauliche Meldewege ein.

  • Reaktion: nehmen Sie Meldungen ernst, dokumentieren und handeln Sie zeitnah (allenfalls mit Abmahnungen und Kündigungen).

  • Unterstützung: Betroffene aktiv unterstützen (Arbeitsplatzwechsel, Begleitung).

  • Beratung: Holen Sie bei Bedarf rechtliche Beratung ein.

Wichtig: der neue Stalkingtatbestand erfordert keine sexuelle Komponente. Auch das stetige und unerwünschte Kontaktieren und Auflauern kann strafbar sein.

 

Fazit und Handlungsempfehlung

Es wird sich zeigen, ob mit dem neu eingeführten Artikel 181b StGB die ursprünglichen Ziele des Opferschutzes erreicht werden. Gerne beraten wir als spezialisierte Anwaltskanzlei Sie, bevor eine Anzeige eingereicht wird über die Möglichkeiten, den Ablauf und die Konsequenzen. Melden Sie sich unverbindlich bei uns und wir besprechen mit Ihnen das weitere Vorgehen.

In dringenden Akutfällen wenden Sie sich bitte direkt an die Polizei (Rufnummer 117)!

Auf der Seite der Opferhilfe Schweiz finden Sie zudem weitergehende Links und die zuständige Opferhilfe für Sie.

Selbstverständlich beraten und vertreten wir auch beschuldigte Personen. Melden Sie sich auch hier ungeniert und unverbindlich, jede Anfrage ist vertraulich und unterliegt dem Anwaltsgeheimnis. Sie können sich auch an eine geeignete Fachstelle wenden, bspw. Fachstelle Gewalt - Bern.

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